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    Alle Datenjahre sowie weitere Informationen und Kennzahlen zum Indikator (z.B.: absolute Werte)
Familiäre Sprachpraxis und Migrationshintergrund in Kindertagespflege

Kinder und Jugendliche in Deutschland wachsen in einer Gesellschaft auf, die von migrationsbedingter Mehrsprachigkeit geprägt ist. Zudem nehmen Migrationsbewegungen und mit diesen die Anzahl mehrsprachiger Kinder und Jugendliche sukzessive in Deutschland zu (Henschel et al. 2021, 204). 

Für Kinder und Jugendliche ist das Erlernen der deutschen Sprache für die erfolgreiche Teilhabe am nationalen Bildungssystem notwendig. Insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund, für die Deutsch ihre zweite oder auch dritte Sprache ist, brauchen deshalb möglichst früh Lebenskontexte, die es ihnen zusätzlich ermöglichen, Deutsch zu lernen. Die Kindertagespflege stellt einen dieser bedeutsamen Lebenskontexte dar, indem systematisch alltagsintegrierte sprachliche Bildung für die Unterstützung des Spracherwerbs eingesetzt wird (Wendland 2022). Einerseits können die dort tätigen Fachkräfte die Sprachfähigkeiten der Kinder gezielt, durch die Wertschätzung und Berücksichtigung der bereits vorhandenen mehrsprachigen Ressourcen fördern. Zum anderen erweitern Kinder durch den gemeinsamen Austausch untereinander ihre sprachlichen Fähigkeiten.   

Kinder in Deutschland, die in ihrer Familie eine andere als die deutsche Sprache sprechen, wachsen als mehrsprachige Personen auf. Über mehrere Sprach(realitäten)en zu verfügen hat enormes Potential. Vor allem für Gesellschaften, die durch migrantische Mehrsprachigkeit charakterisiert sind (Schröder et al. 2022, 162). Durch einen sprachinklusiven und -förderlichen Alltag in Einrichtungen der Kindertagespflege wird es möglich, die Perspektive von der Einsprachigkeit hin zur Mehrsprachigkeit zu verlagern. Mehrsprachigkeit anzuerkennen, ermöglicht eine ressourcenorientierte und gleichzeitig ganzheitlichere Perspektive auf das jeweilige Sprachrepertoire von Kindern.  

Das Erlernen der deutschen Sprache ist essenziell für den Bildungserfolg in Deutschland. Dafür ist es jedoch nicht notwendig mehrsprachige Kinder in Bildungsinstitutionen einsprachig anzuleiten. Die Anerkennung einer mehrsprachigen Lebensrealität ist eine gute Voraussetzung, um Deutsch als Zweitsprache in Einrichtungen der Kindertagespflege zu vermitteln: aus der Förderung von Mehrsprachigkeit resultieren Vorteile, die sich beispielsweise durch metasprachliche Kompetenzen auszeichnen (ebd., 164).  

Vor diesem Hintergrund wäre es aufschlussreich festzustellen, ob das pädagogische Personal in der Kindertagespflege über sprachförderliche Grundhaltungen und interkulturelle Kompetenzen verfügt, um individuelle sprachliche Bildungsgelegenheiten zu eröffnen. Daher ist zu empfehlen sowohl die Qualifikationen des pädagogischen Personals hinsichtlich der Förderung der mehrsprachigen Lebensrealitäten sowie Kompetenzen über ‘Deutsch als Zweitsprache in Kindertagesbetreuungen’ zu erfassen und systematisch zu fördern. Dabei können mehrsprachige Fachkräfte eine tragende Rolle einnehmen.  

Wie viele der betreuten Kinder in der Kindertagespflege derzeit einen Migrationshintergrund haben und in der Familie vorwiegend nicht Deutsch sprechen, also mehrsprachig aufwachsen, kann mithilfe der amtlichen Daten der Kinder- und Jugendhilfestatistik differenziert dargestellt werden (s. methodische Hinweise).   

Weitere Daten und Informationen zu diesem Indikator finden Sie in der Datei „Download Daten“ unter dem Zeitstrahl.   

Im Rahmen der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik wird die Inanspruchnahme von Betreuungsangeboten von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund erfasst. Ein Migrationshintergrund wird den Kindern zugeschrieben, von denen mindestens ein Elternteil ausländischer Herkunft ist. Zudem wird erhoben, ob in der Familie vorrangig Deutsch oder nicht Deutsch gesprochen wird. Hierbei darf nicht übersehen werden, dass mittels der KJH-Statistik eine Kategorisierung von Kindern vorgenommen wird, die als “Othering” bezeichnet werden könnte und kritisch zu sehen ist (Siouti et al., 2022). Unter anderem weil das statistische Merkmal “Migrationshintergrund, eine starke Vereinfachung ist, die die Heterogenität der auf diese Weise erfassten Gruppe an Kindern hinsichtlich ihrer (sozio-)ökonomischen und sozialen Lebenslage, Kultur und Biografie nicht widerspiegeln kann. Dazu darf die Kategorisierung: mit und ohne Migrationshintergrund, sowie ob in der Familie überwiegend Deutsch oder nicht Deutsch gesprochen wird, keinesfalls zu einer erkenntnistheoretischen oder fachpraxisnahen verändernden Zuschreibung führen. Kritisch denkend, gibt das Merkmal jedoch wertvolle Hinweise über strukturelle Bildungsbenachteiligung in deutschen Bildungsinstitutionen. Denn Kindertagespflegestellen haben eine besondere Funktion bei der Erweiterung des individuellen kindlichen Sprachrepertoires, die die Bildungsbiografie beeinflusst.   

Für das Datenjahr 2020 ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der zeitweiligen Schließung bzw. des eingeschränkten Betriebs der KiTas durch die Corona-Pandemie einige Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen ihre Daten nicht rechtzeitig übermitteln konnten. Bei den entsprechenden Daten muss von einer Untererfassung von ca. 50 KiTas mit ca. 2.000 betreuten Kindern und dem jeweiligen Personal ausgegangen werden.   

Hinsichtlich des Datenjahres 2021 ist davon auszugehen, dass es aufgrund der zeitweiligen Schließung bzw. des eingeschränkten Betriebs von Einrichtungen der Kindertagesbetreuung und von Horten durch die Corona-Pandemie teilweise zu größeren Abweichungen zwischen den Daten der amtlichen Statistik und dem Ist-Zustand kommt. Beispielsweise sind die tatsächlichen Betreuungszeiten von Kindern in vielen Einrichtungen vermutlich weit geringer, als sie im Betreuungsvertrag laut amtlicher Statistik vereinbart sind. Diese Abweichungen sind bei der Interpretation der hier ausgewiesenen Daten zu berücksichtigen. 

Weitere Informationen hierzu finden Sie hier

Quelle 

Daten ab 2018:   

FDZ der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie statistisches Bundesamt, Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege, verschiedene Jahre; berechnet vom LG Empirische Bildungsforschung der FernUniversität in Hagen.   

Daten bis 2017:   

Statistisches Bundesamt, Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege, verschiedene Jahre; zusammengestellt und berechnet vom Forschungsverbund DJI/TU Dortmund, 2017.   

Literatur   

Henschel, Sofie, Heppt, Birgit, Rjosk, Camilla, Weirich, Sebastian (2021): Zuwanderungsbezogene Disparitäten. In: Stanat, Petra, Schipolowski, Schzneider, Rebecca, Sachse, Karoline A., Weirich, Sebastian, Henschel, Sofie (Hrsg.): IQB-Bildungstrend 2021. Kompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik am Ende der 4 Jahrgangsstufe im dritten Ländervertgleich. Waxmann: Münster, New York. S. 181-219. (Download [online]: IQB_Bildungstrend2021_Berichtsband.pdf.)  

 Wendland, Marlen (2022): Alltagsintegrierte sprachliche Bildung. [online] URL: Themenportal | Frühe sprachliche Bildung | Alltagsintegrierte sprachliche Bildung (mercator-institut-sprachfoerderung.de) abgerufen am 14.09.2023  

 Schröder, Lisa, Dintsioudi, Anna (2023): Translanguaging: Sprachinklusiv in der Kita handeln. In: Lamm, Bettina (Hrg.): Handbuch Interkulturelle Kompetenz in der Kita. Verlag Herder: Freiburg. S.162-176.   

 Siouti, I., Spies, T., Tuider, E., von Unger, H., & Yildiz, E. (2022). Methodologischer Eurozentrismus und das Konzept des Othering. Eine Einleitung [Methodological Eurocentrism and the concept of othering. An introduction]. Othering in der postmigrantischen Gesellschaft, 7-30. DOI: 10.14361/9783839463086-001